« Das Who is Who des Scandi-Styles »
Was ist skandinavisches Design? Wer die Frage kurz und knapp beantworten möchte, gerät ins Schleudern. Das Blatt wendet sich beim neugierigen Zoom auf legendäre Möbel und Accessoires aus dem Norden. Danach erkennt man intuitiv: Klar, das ist Scandi-Style!
Kajsa und Nisse Strinning – praktisch veranlagtes Designduo aus Schweden
Überraschende Erkenntnis: Der Geschirrkorb neben der Spüle ist eine Verwandte des Regals im Wohnzimmer. Nisse Strinning liebte es, pfiffige Lösungen fürs alltägliche Leben zu entwickeln. Während seines Architekturstudiums entwarf er einen Küchenhelfer, auf dem das gespülte Geschirr abtropfen konnte. Vom Erstlingswerk ließ er sich inspirieren, als er mit seiner Frau Kajsa 1949 an einem Wettbewerb teilnahm. Gefragt waren unkomplizierte Konzepte für die Bücheraufbewahrung. Zwei Drahtleitern und Furnierbretter genügten, um den Preis zu ergattern.
Das String Regal ist nordisches Design in Reinkultur. Es wirkt entzückend simpel, beruht aber auf einer akribisch durchdachten Idee. Dem Ehepaar Strinning verhalf sie damals zum Durchbruch. Heute inspiriert sie Menschen, die zuvor nicht an ihre kreative Ader glaubten. Denn mit dem String-System wird man selbst zum Möbeldesigner.
Georg Jensen – neue und legendäre Bestseller
Skandinavische Designer werden für einen Stil geschätzt, der alltagstauglich und erschwinglich ist. Es scheint absurd, mit diesen Idealen einen Prinzen in Verbindung zu bringen. Das Gegenteil bewies Sigvard Bernadotte als Sohn des schwedischen Königs. Er besuchte die Stockholmer Kunstakademie und ließ sich von Pionieren der Moderne inspirieren. Bei Georg Jensen machte er eindrucksvoll Karriere, weil seine stringente Designsprache international gut ankam. Für seinen Stil ist das Besteck Bernadotte typisch, das er 1939 entwarf. Der dekorative Part beschränkt sich auf Längsrillen.
Eine edle Nuance addiert der polierte Edelstahl, den man für die Fertigung ohnehin benötigt. Legerer Snack oder glamouröses Dinner: Nach dem Essen wandern die funktionalistischen Designklassiker mit adliger Vita in die Spülmaschine. Auf dem Frühstückstisch begegnen die gerillten Messer der Helix Thermoskanne.
Spontan fällt auf, wie gut die Haushaltswaren zueinander passen. Das ist wahrscheinlich kein Zufall. Die Edelstahlkanne entwarfen Bernadotte & Kylberg vor wenigen Jahren. Der erste Name schürt eine Vermutung, die stimmt: Zum Designduo gehört der schwedische Prinz Carl Philip – ein Nachfahre von Sigvard Bernadotte.
Zeitlos ist gut, aber etwas mehr Extravaganz besser? Dann erobert das Edelstahlbesteck von Arne Jacobsen Ihr Herz. Der weltweit bedeutende Designer wählte dafür 1957 einen modernistischen Stil, der außerordentlich kühn wirkte. Bis heute verleiht das Besteck von Arne Jacobsen der gedeckten Tafel einen futuristischen Touch.
Berühmte Kubisten fürs hyggelige Flair
Nach dem erfolgreichen Studienabschluss 1923 intensivierte Mogens Lassen sein Fachwissen bei Reisen und Begegnungen mit berühmten Architekten. Später nutzte er die experimentellen Inspirationen für architektonische Werke und Design-Möbel.
Sein skandinavischer Stil war beinahe pedantisch: Zahlreiche Jahre, Zeichnungen und Berechnungen investierte der Designer in den minimalistischen Kerzenständer Kubus 4. Er war für private Zwecke gedacht, avancierte jedoch nach dem Debüt 1962 zur gefeierten Designikone. Bei der Architektur favorisierte sein Bruder Flemming ebenfalls kubistische Entwürfe. Er überraschte aber mit unkonventionellen Rundungen, wenn er Möbel entwarf.
Das verdeutlicht ein Blick auf den Ingeborg Sessel von der Marke by Lassen. Sie trägt das kreative Erbe der skandinavischen Brüder in die Zukunft.
Jung gebliebene Legenden und traditionsbewusste Newcomer
Links sieht man die Vitra Freischwinger aus Polypropylen, die wie futuristische Skulpturen wirken. Rechts stehen die formal reduzierten Muuto Stühle aus Eiche, die sich zur Handwerkskunst bekennen. Welche Möbel sind älter? Designkenner wissen die Antwort, Laien tippen schnell daneben.
Das Experimentieren mit innovativen Materialien und Pop-Art-Stilelementen bereitete Verner Panton Freude, nach dem der erste Designklassiker benannt ist. So visionär wie der Einsatz von Kunststoff war sein Ziel, die Möbel in einem Stück zu fertigen. Die serielle Produktion entpuppte sich als Herausforderung, die Vitra 1967 meisterte. Taufrisch ist der Entwurf von Thomas Bentzen für die stapelbaren Holzstühle. Gerundete Rückenpartie, gefaltete Armlehnen, schräge Beine: Hinter jedem formschönen Detail steckt ein praktischer Gedanke.
Liebenswürdige Augenschmeichler fürs gemütliche Zuhause
Skandinavische Designer lieben reduzierte Ästhetik genauso wie funktionale Raffinesse. Weckt das die Sehnsucht nach einer Prise Verrücktheit? Kommt sofort, aus der Feder von Bjørn Wiinblad: Er verfolgte mit seinen Keramikarbeiten das Ziel, Lebensfreude zu verbreiten.
Bei der ersten Begegnung mit der Blumenvase Eva steht fest: Die Mission ist ihm geglückt. Blickt man in die Kulleraugen der skizzierten Frau, schlägt das Herz Purzelbäume. So liebenswert wie die Eva Blumenvase von Bjørn Wiinblad sind die Figuren von Kay Bojesen. Der skandinavische Designer entwarf das Holzspielzeug ab 1919 für seine Kinder. Den Werkstoff wählte er, weil er nicht zerbrechlich ist.
Pädagogisch motiviert ist der minimalistische Look: Er regt die Experimentierfreude an, statt sie durch viele Details auszubremsen. Die Herangehensweise macht dänisches Design aus: Im Vordergrund steht eine Funktion, für die man eine sinnvolle Form findet.
Beides ebnet nebenbei der Ästhetik den Weg. Sie hat einen Mehrwert für Erwachsene: Es wirkt geschmackvoll, wenn man Möbel mit den Singvögeln dekoriert. Gleiches gilt für den kultigen Affen von Kay Bojesen, der insgeheim kompliziert ist: Wer hätte gedacht, dass er aus 31 Einzelteilen besteht?
Kaum vorgestellt und schon eine Ikone: Designerleuchten aus Skandinavien
Das New Yorker MoMA und das Schwedische Nationalmuseum stellte bereits Arbeiten von Mattias Ståhlbom aus. Er zählt zu den wegweisenden Designern der Gegenwart. Gemeinsam mit dem Studio TAF greift er gerne Gewohntes aus dem Alltag auf, um es ungewöhnlich zu interpretieren.
Ein gelungenes Exempel dafür ist die Leuchtenkollektion E27, die Muuto anbietet. Genau genommen gibt Mattias Ståhlbom nur eine LED-Glühbirne mit Fassung und farbigem Kabel an die Hand. Das Design-Finish ergibt sich, wenn Nutzer die leuchtenden Accessoires kreativ arrangieren und kombinieren.
Typisch skandinavisch ist die dezente Formensprache der EOS, die Søren Ravn Christensen für UMAGE entwarf. Unkonventionell erscheint die Materialwahl bei der preisgekrönten Designerlampe, die im wahrsten Sinne des Wortes federleicht ist.
Bei seinen Entwürfen achtet Søren Ravn Christensen stets auf ein Detail, das man nicht sieht: Die luftig-leichten Lampen lassen sich extrem platzsparend verpacken. So gelangen die Wohnaccessoires mit niedrigem CO2 Fußabdruck vom Hersteller ins Zuhause der Designfans.